Symposium 2019

"9. Wohnmedizinisches Symposium" an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold

„Der Mediziner mag denken, dass sich der (Innen-) Architekt nur um die optisch ansprechende Auswahl von Materialien und Farben kümmert und der (Innen-) Architekt meint vielleicht, dass Mediziner nur die sind, die den ganzen Tag in Kitteln herumlaufen.“ Mit diesen, auf die Interdisziplinarität der Veranstaltung anspielenden Worten, eröffnet der Hochschulpräsident Prof. Dr. Jürgen Krahl das 9. Wohnmedizinische Symposium an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) in Detmold am Freitag, dem 08.11.2019.

Das Symposium, welches seit 2011 von Prof. Dr. Pilgramm in Verbindung mit der Gesellschaft für Wohnmedizin, Bauhygiene und Innenraumtoxikologie e.V. organisiert und moderiert wird, stand dieses Jahr unter dem von den Studierenden ausgewählten Thema „Haustierproblematik“ sowie „Speisevorratslagerung im Haus“.

Der Frage, ob ein Haustier in der Wohnung krank macht oder es einen Hund doch besser auf Kassenrezept gegen Bewegungs- und Frischluft­mangel geben sollte, beantwortete Prof. Dr. Fiedler von der Universität Jena in seinem Vortrag mit dem Fazit, dass die positiven sozialen und psychologischen Funktionen eines Hundes als Haustier überwiegen, dennoch die Gefahr, sich durch den Kontakt zu Tieren mit Krankheiten wie Zooanthroponosen anzustecken oder Allergien zu entwickeln, nicht zu unterschätzen sei. „Das Leben ohne Hund ist ein Irrtum“, zitierte er Carl Zuckermayer und ergänzte, dass Hände waschen nach jedem Tierkontakt und regelmäßiges Lüften dazugehören müssen.

Den direkten Bezug zwischen Haustierhaltung und Hygiene- und Materialschädlingen in Innenräumen stellte Mitorganisator- und Moderator der Veranstaltung Dr. Mario Blei anhand von Beispielen für von Tieren auf den Menschen übertragbare Infektionen, Allergien und Vergiftungen dar. Milben, Flöhe und weitere Insekten können direkte Schädlinge für Mensch, Tier und Raum oder indirekter Hygieneschädling als Träger einer Krankheit sein. Er plädiert dafür, eine Infektion durch Haustiere gegenüber z.B. Schimmelpilzbefall bei der Ursachenforschung von Krankheitssymptomen stärker in Betracht zu ziehen. Auch Blei, welcher im Sommersemester 2019 das Kumulative Modul „Einführung in die Innenraumtoxikologie“ an der TH OWL angeboten hat, weist mehrmals darauf hin, dass (Haus-) Tierkontakt und Händewaschen ohne Ausnahme zusammengehören müssen.

Darüber, wie ein staatlich geprüfter Schädlingsbekämpfer arbeitet, was er bekämpft und wie Planer vorbeugende Maßnahmen treffen können, referierte Thomas Loose. Ob Mäuse, Ratten, Schaben, oder Wespen – sobald diese Tiere in unsere gebaute Umwelt eindringen und diese zerstören oder zu einer gesundheitlichen Gefahr für uns werden, sind sie als Schädlinge anzusehen und ordnungsgemäß zu kontaminieren. Auf die Zuschauerfrage, ob „Nutella“ ein geeignetes Mittel gegen Ratten sei, musste er lachen, gab aber zu, dass die Schokocreme nicht selten als Anlockstoff für Köder verwendet werde.   

Er habe sich zunächst über die Einladung zu einem wohnmedizinischen Symposium gewundert, leitete Dr. Hermann Kruse vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie in Kiel seinen Vortrag ein. Nachdem Prof. Pilgramm seinem Vortragstitel „Toxikologisch bedenkliche Stoffe in unserer Nahrung“ die zwei Worte „zu Hause“ anhing, war die thematische Relevanz klar. Mit der Nahrung, sei es direkt wie z.B. durch Quecksilber in Fisch oder Nitrat in unserem Trink­wasser oder indirekt durch Verpackungen wie Poly­styrol in Coffee-to-go-Bechern, nehmen wir täglich giftige Stoffe zu uns. In Maßen sei dies zunächst unbedenklich, jedoch sei aus seiner Sicht alarmierend, dass 40 - 50 % der Krankenhauseinlieferungen in Deutschland durch „ungesunde Ernährung“ zustande kämen. Er möchte für umweltbewussten Einkauf und Umgang mit unseren Lebensmitteln sensibilisieren und gibt den Studierenden den Tipp, dass jeder die Trinkwasserqualität bei sich zu Hause im Internet auf den Seiten der Stadtwerke kontrollieren könne: > 80 mg/l Calcium und < 25 mg/l Nitrat seien erste wichtige Richtwerte.

Baubiologe Thomas Jockel und Prof. Dr. Wolfgang Plehn vom Umweltbundesamt legten den Fokus auf die wohnmedizinische Bedenklichkeit von Baumater­ialien und Innenausstattung. Asbest sei insbesondere bei Sanierungsarbeiten in Häusern, welche vor 1950 gebaut wurden, immer noch ein gesundheitsgefähr­dendes Thema, da die Asbestfasern, welche z.B. beim Bohren freigesetzt werden, krebserregend seien. Jockel weist dabei ausdrücklich auf die Haftungspflicht von Architekten hin sowie darauf, dass sich bei Unsicherheit immer an einen Fachmann gewendet werden sollte. Und wer in neu ausgestatteten Räumen immer noch denkt „Das ist neu, das muss riechen, das ist normal“, wurde von Dr. Plehn, welcher sich für emissionsarmes Bauen einsetzt, eines Besseren belehrt. Geruch heiße nicht gleich schädlich, man denke an Linoleum, aber sobald Reizungen von Nase, Rachen und Hals mit Beschwerden über Geruch zusammenkommen, sollte eine Messung der Innenraumschadstoffe durchgeführt werden.

In der anschließenden Diskussion forderte Prof. Dr. Fiedler von der Industrie die Einführung einer verbrauchergerechten Deklaration von Bau­materialien.

Nach dem bald schon traditionellen Abschlussquiz, wobei von Prof. Pilgramm Fragen zu den sechs Themen der Veranstaltungen an die Studierenden gestellt werden, schloss die Veranstaltung mit den Worten, dass sich jetzt niemand verrückt machen sollte, weil er gerne Thunfisch esse, den Geruch von renovierten Räumen mag oder einen Hund habe. Jedoch sei hoffentlich eine Sensibilisierung für den Umgang mit Materialien, Tier, Mensch und Gesundheit angestoßen worden.

Die Vorträge finden Sie hier: http://www.th-owl.de/fb1/studium/lehrgebiete-q-z/wohnmedizin/symposium.html